Dass mehr und mehr Firmen darüber klagen, dass es ihnen an Fachkräften oder Auszubildenden mangelt, liegt nicht immer nur an den bekannten demografischen Problemen. Betriebe müssen sich auch an die eigene Nase fassen. Denn die Möglichkeiten, sich als Firma zu präsentieren, sind in den vergangenen Jahrzehnten rasant angestiegen. War es im vergangenen Jahrtausend noch der Firmensitz oder das Networking, mit dem sich eine Firma von anderen abheben konnte, sind heutzutage die Webseite und die Arbeit in sozialen Medien wichtige Aushängeschilder für ein Unternehmen. Gerade Instagram, Facebook und Co. werden von vielen Führungsetagen noch immer als optional betrachtet, doch das ist nicht mehr der Fall. Natürlich ist das Spiel unfair. Große Firmen wie Netflix, BMW oder Siemens können sich ganze Abteilungen leisten, die nichts anderes tun, als die Werte, die Ideen oder die Produkte der Firma zielgerichtet auf sozialen Netzwerken zu verteilen. Kleinere Betriebe haben es da oft schwerer.
Doch von vorne angefangen: Bevor sich ein Unternehmer Gedanken darüber machen kann, wie er verschiedene Kanäle bespielt, steht ein gewisser Selbstfindungsprozess an. Ein Prozess, der im besten Fall zu einem scharfen Bild eines Unternehmens führt, ein positives und modernes Image mit Alleinstellungsmerkmal; das sind die Zutaten für erfolgreiches „Employer Branding“. Nehmen wir Netflix als Beispiel. Der Konzern, der über seine Website Serien und Filme und immer mehr Eigenproduktionen anbietet, lässt keinen Tag vergehen, ohne das moderne, coole Image der Marke weiter zu formen und die Community bei Laune zu halten. Dafür stellt Netflix auf Facebook und Instagram nicht einfach Ankündigungen für neue Serien oder Filme online. Nein, der unbekannte Verfasser der Posts von Netflix ist als „Netflix-Praktikant“ in der Community bekannt, stellt lustige Bilder und Memes online, die eine Brücke zwischen der Community, den Produkten der Firma und Problemen aus dem alltäglichen Leben schlagen. Das Ergebnis: Wohl kaum ein junger Mensch würde heutzutage nicht zumindest genauer hinschauen, wenn Netflix eine Stelle ausschreibt. Netflix ist damit ein Arbeitgeber, bei dem jeder Bekannte sofort sagt: „Wow, Netflix! Und was machst du da? Bist du der, der immer auf Facebook postet? Bestimmt ein toller Arbeitgeber!“ Und das völlig unabhängig von der Bezahlung, Position oder Tätigkeit des Mitarbeiters.
„Employer Branding“ heißt der offizielle Begriff für Geschichten wie diese. Die Schärfung der eigenen Marke und das Ziel, ein Image aufzubauen, das im besten Fall Bewerber dazu bringt, Ihnen die Türen einzurennen. Junge Arbeitnehmer, die aufgrund des Unternehmens beim Unternehmen angestellt sein wollen. Nicht in erster Linie wegen guter Bezahlung oder einer besonders hohen Position, die ihnen angeboten wird. Doch wie funktioniert Employer Branding? Vor allem dann, wenn eine Firma keine Social-Media-Abteilung zur Verfügung hat, die sich geniale Strategien wie die von Netflix ausdenken können.
- Mache Dir Gedanken über Deine Werte und Deine Darstellung als Firma und auch Dein Selbstverständnis als Arbeitgeber. Was bietest Du an, für wen bietest Du es an? Wie wirst Du derzeit auf dem Markt wahrgenommen? Schaltest Du bloß seelenlose Werbeanzeigen oder ist das Social-Media-Modell von Netflix eine Möglichkeit, Menschen auf Dich und Deine Produkte aufmerksam zu machen? Schaue unbedingt auch nach möglichen Modernisierungen. Ein zeitgemäßes Logo, Designelemente auf der Webseite oder das generelle Corporate Design können möglicherweise ebenfalls überarbeitet werden. Gute visuelle Wirkung zählt heute mehr denn je. Übrigens sind an dieser Stelle nicht nur soziale Medien ein Brennpunkt. Mund-zu-Mund-Propaganda ist trotz aller Digitalisierung weiterhin extrem wichtig. Arbeitnehmer hören sich untereinander um, nutzen möglicherweise Dienste wie Kununu, wo anonym Arbeitgeber bewertet werden können. Wie das im Falle Netflix aussieht, ist an dieser Stelle unklar. Doch auch der Streaming-Plattform würde es trotz aller Arbeit in sozialen Medien schaden, wenn sich herumspräche, dass die Arbeitsbedingungen katastrophal wären. Es versteht sich natürlich von selbst, doch ist flexibler und freundlicher Umgang mit Arbeitnehmern wegen der kurzen Wege von Ohr zu Ohr extrem wichtig. Generell geht der Trend heutzutage dahin, dass junge Arbeitnehmer sich flexiblere Arbeitszeiten und ein angenehmes Klima wünschen und dieses sogar Geld oder hohen Positionen vorziehen.
- Zugegeben, Netflix ist sicherlich auch als popkulturelles Phänomen zu sehen. Sich ein derartiges Image aufzubauen, dürfte für kaum eine andere Firma möglich sein. Richte für Dein Employer Branding nicht nur den Blick nach innen. Analysiere genau, wer bei Dir arbeiten möchte und wer nicht. Benötigst Du erfahrene Ingenieure oder junge Power im Betrieb? Berufsrückkehrer und anerkannte Flüchtlinge haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt, doch sind diese Gruppen eine gute Ressource für neue Mitarbeiter und tragen zudem positiv zum Image des Unternehmens bei.
- Wo liegen Deine Stärken? Nutze diese, stelle sie heraus und versuche, die Schwächen so gut es geht auszugleichen. Dann bleibt zu überlegen, wie Du Deine Stärken vermarkten kannst, um an Deine Arbeitnehmer-Zielgruppe zu kommen. Hier emfpiehlt sich ein genauer Blick auf Statistiken, was junge Arbeitnehmer von Betrieben erwarten, denn da hat sich in den vergangenen Jahren – wie bereits in Punkt 1 angedeutet – enorm viel geändert. Hast Du zum Beispiel viel Geld zur Verfügung, prüfe, ob junge Arbeitnehmer überhaupt noch scharf auf einen Dienstwagen sind oder ob nicht eine große Pausen-Lounge mit Billard-Tisch und Smoothie-Theke eine bessere Investition wäre, um zukünftig die Generationen Y und Z, die zu Bewerbungsgesprächen erscheinen, zu begeistern.
- Neben den Stärken und Schwächen, die Du auflistest, solltest Du Dir Gedanken über ein Alleinstellungsmerkmal machen. Jede Firma beschäftigt sich mit dem USP (Unique Selling Proposition). Auf dem Bewerbermarkt zählt allerdings der Employer Value Proposition (EVP). Ist der EVP gefunden, kann dieser in einem Werbe-Claim für potenzielle Arbeitnehmer kanalisiert werden. „Willkommen, du passt zu uns!“, lautet der neue Claim der Deutschen Bahn, die dringend nach Mitarbeitern sucht. Mit „Be who you want to be“ wirbt die Lufthansa, die damit auf die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen aufmerksam machen will. Ob diese Claims so sinnvoll sind, sei hier mal dahingestellt. Doch verdeutlichen die Beispiele das Prinzip des EVP und des dazu passenden Claims.
Sind die Schritte getan, kommuniziere die Ergebnisse nach außen. Sei es mit einer Präsentation des neuen Logos in sozialen Medien, vielleicht sogar einem neuen Mitarbeiter, der sich speziell darum kümmert. Zeige, dass Du keine Angst hast, dass Deine Mitarbeiter schlecht über die Firma reden könnten. Sende sie zu Jobbörsen oder Messen aus. Sprechen Mitarbeiter positiv und unbeobachtet über die Firma, hat das nach außen einen völlig anderen Effekt, als wenn nur der Geschäftsführer sein Unternehmen anpreist.
Achte grundlegend bei allen Kanälen auf ein geschärftes Bild des Unternehmens. Das Logo, die Facebook-Posts, die Website und die letzte Presseerklärung müssen das durch die oberen Schritte entstandene Image des Unternehmens inklusive des Alleinstellungsmerkmals nach außen präsentieren und das klar, freundlich und modern. Zeige lachende Gesichter, denn gerade um junge Bewerber anzulocken, müssen Firmen heute so weit wie möglich vom Bild des kalten, gesichtslosen Konzerns wegkommen. Der „Netflix-Praktikant“ macht es vor.
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asdaf